Ein Stück italienische Geschichte
Im Sommer des Jahres 1968 trug es sich zu, dass drei gut gekleidete Herren vom britischen Handelsministerium sich auf die Reise ins heiße Italien begaben. Sie waren von Ihrer Majestät beauftragt, den Grund dafür herauszufinden, weshalb Großbritannien plötzlich mit Tausenden von Kühlschränken aus Italien überschwemmt wurde.
Wenige Jahre zuvor waren nur sieben Prozent aller Kühlschränke in englischen und schottischen Geschäften aus italienischer Herstellung. Doch im Herbst 1967 stiegen die Zahlen drastisch an: Wie über Nacht, beherrschten italienische Kühlschränke auf einmal rund zwanzig Prozent des gesamten britischen Marktes. Und im Mai des darauf folgenden Jahres ließ sich bereits jeder Dritte Privathaushalt einen Kühlschrank aus dem südlichen Land der Liebe und der Spaghetti in seine Küche einbauen.
Die Sonderkommission der Queen mussten nicht lange nach dem Grund suchen: Trotz der Import- und Zollkosten, waren diese Haushaltsgeräte bis zu 100 Pfund günstiger als die landeseigenen Exemplare. Erfahren haben die drei Männer dies bei Besuchen in Turin, Mailand sowie Pordenone, den drei Zentren der italienischen Elektro-Industrie der damaligen Zeit. Auch wälzten sie Bücher, studierten Bilanzen und sprachen mit Experten. Letztendlich schlugen sie bei ihren Kollegen in Rom auf und erfuhren dort, was sie zurück auf der Insel gleich an Information weitergaben: Die italienische Regierung unterstützte jeden Hersteller für einen nach Großbritannien exportierten Kühlschrank mit einer Prämie von zehn Pfund. Dass der Preisunterschied allerdings gleich hundert Pfund betrug, erklärte man sich im britischen Handelsministerium schlicht damit, dass die Italiener schlichtweg tüchtiger seien als die eigenen Landsleute.
Die Italiener waren in der Tat ein Paradebeispiel für rationelle Herstellung und cleveres Marketing. Im Jahre 1950 noch mit einer Elektro-Industrie ohne Bedeutung, erreichte Italien nur fünfzehn Jahre später die Spitze Europas. Die Eisbox-Fabrikanten zählten zu den Schrittmachern des italienschen Wirtschaftswunders, und die Kühlschrank-Konjunktur kam eingutes Jahrzehnt nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs zuerst im warmen Italien so richtig in Fahrt. Damals schrieb das Mailänder Wirtschaftsblatt, dass “elektrische Haushaltsgeräte für Italien das gleiche seien wie Uhren für die Schweiz”. Und damals stimmte dies sogar: 1967 produzierte Italien schon beinah doppelt so viele Kühlschränke wie Westdeutschland.
