Risotto mit Brennnesseln (Brennesseln) - Risotto alle ortiche
Brennnesselrisotto (Brennesselrisotto) - Risotto alle ortiche
Mein Freund Antonio ist ein ganz Großer in seinem Metier: Toningenieur. Spitzenkräfte der hiesigen Softpop-Industrie wie Ramazzotti und Jovanotti verschieben Welttourneen und täuschen Husten und Schnupfen vor, wenn Antonio nicht abkömmlich ist. Den größten Teil seiner Zeit sitzt er in Airbussen und Pullmans ab und es gibt wohl kaum einen größeren Veranstaltungsort zwischen Melbourne und Vancouver, an dem er nicht für irgendwelche italienischen Heulbojen an den Potentiometern gedreht hat.
Allerdings scheint er langsam die Nase voll davon zu haben und ist immer öfter in dem kleinen Gesindehaus anzutreffen, das er vom Landgrafen von Ostia Antica gemietet hat. Da mit einem Straßenwagen ohne Achsbruch anzukommen ist keine Kleinigkeit, wenn’s zwischenzeitlich regnet kommt man nicht zurück.
Vor ein paar Tagen hat er einen Strauß Brennnesseln vorm Haus gefunden und uns zum Essen eingeladen. Reis, Mehl, Hefe und das dunkelgrüne Olivenöl vom Nachbarn des Schwiegervaters waren auch noch im Haus.
War ein richtiger Risottoabend, dessen ersten Teil ich im Schaukelstuhl nebem dem Holzofen verbracht habe, um beim Brot formen, Brühe kochen und Risotto rühren zuzusehen und mich dafür auslachen zu lassen, immer mal wieder kurz aufzustehen und die Töpfe zu knipsen. Er hat, obwohl so weit gereist, wahrscheinlich noch nie einen echten Food-Fotografen im Haus gehabt.
Brennnesselblätter waschen und die großen in Streifen schneiden. Butter in den Topf, Zwiebeln hinterher und nach ein paar Minuten die Brennnesselblätter dazugeben, andünsten und kurz aus dem Topf fischen, um bei etwas höherer Temperatur den Reis anzurösten. Nach ein paar Minuten mit Weißwein ablöschen, die Brennnesselblätter wieder dazugeben und Kelle für Kelle und unter ständigem Rühren (siehe: Risotto. Regeln der Kunst) die eine Stunde vorher angesetzte Gemüsebrühe zugießen. Den Risotto vom Herd nehmen, geriebenen Parmesan unterrühren, pfeffern und sofort essen.
Wie das mit dem Brot geht, habe ich vergessen zu fragen und am nächsten Tag war Antonio schon wieder weg; jedenfalls wohl ziemlich einfach; das Formen haben die Kinder übernommen, eine halbe Stunde im Ofen hat offenbar gereicht, zusammen mit dem Öl vom Nachbarn des Schwiegervaters eine Köstlichkeit. Wir haben die Flasche Grappa Barricata damit begleitet und weder vom einen, noch vom anderen was übrig gelassen…
Seeteufel-Risotto
Der Seeteufel (ital. rana pescatrice oder rospo) ist ein ziemlich hässliches, plattes Vieh, das sich in Küstengewässern auf dem Grund herumtreibt. Mein Sohn (8), der kürzlich für die Schule eine beliebige Internet-Recherche anstellen sollte, hat sich für eine Recherche über genau dieses Vieh entschieden und mir erzählt, dass es bis zu zwei Meter lang wird. Wikipedia bestätigt das. Was bei meiner Fischfrau auf dem Eis rumliegt, ist allerdings eine ganze Ecke kleiner. Für ein Seeteufel-Risotto für 4 Personen reicht ein 500g-Exemplar.
Seeteufel sind ziemlich leicht zu filetieren, haben nur eine Mittelgräte, der größte Teil ist sowieso Kopf. Die beiden Filets links und rechts von der Mittelgräte also herausholen - die kommen zum Reis - oder vom Fischverkäufer herausholen lassen. Der soll aber den Kopf rausrücken, den brauchen wir.
Zugegeben, sieht ein bisschen blass aus, was da so unscheinbar zwischen den Reiskörnern in der auf dem Herd köchelnden Emaillepfanne schwimmt, ist aber im Geschmack alles andere als blass.
Fischkopf zusammen mit einer Zitronenschale, einer Knoblauchzehe, einem Glas Wein und etwas Salz ca. 2 Stunden in 1 1/2 Liter Wasser köcheln lassen und die gewonnene Brühe filtern.
Olivenöl in einer guten Pfanne mit 1 - 2 Knoblauchzehen parfümieren und den Reis (75 - 100g pro Person) darin sorgfältig anrösten und mit etwas Weißwein ablöschen; danach die beiden Filets und nach und nach die Brühe dazu geben und das Risottowerk zu Ende bringen, wie sich das gehört: Siehe Risotto. Regeln der Kunst [interner Link].
Es gibt auch Leute, die zaubern beim Seeteufel-Risotto mit Kokosmilch und Sambal oelek rum; der Geschmack ist aber so intensiv, dass man sich so ziemlich alles - und gerade darin liegt der Reiz des Gerichts - sogar das finale Justieren mit Salz und Pfeffer schenken kann.
Das Seeteufel-Foto oben basiert auf dem Bild Monkfish.jpg aus der freien Mediendatenbank Wikimedia Commons und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist Alexander Mayrhofer.
“Am wichtigsten ist, dass man sein Gemüt dem Ritual in Furcht der Götter zuwende…”
(Carlo Emilio Gadda)
Da hat er Recht, der alte Carlo Emilio. Einen Risotto zuzubereiten ist kein bisschen weniger als eine Meditation, verlangt in jeder Sekunde die Aufmerksamkeit des Kochs und wenn er fertig ist, duldet er keine Wartezeit. Ein italienisches Sprichwort besagt: “Il risotto non aspetta gli ospiti, ma gli ospiti aspettano il risotto”. Der Risotto wartet nicht auf die Gäste, die Gäste warten auf den Risotto, sitzen im besten Fall in nächster Nähe der Kochstelle und trinken schon mal ein Glas und sind sich der Dimension der Ereignisse bewusst.
Wichtig bei derartigen Ritualen ist natürlich entsprechend geweihtes Werkzeug: Im besten Fall eine Casserole aus verzinntem Kupfer mit Eisenstiel, ein guter alter Holzkochlöffel und ein Filzlappen (damit man sich nicht die Pfoten verbrennt). Ich habe mir aber sagen lassen, dass man auch mit einer ausreichend tiefen beschichteten Pfanne mit Kunststoffstiel einigermaßen zu Rande kommen kann.
Darin mit etwas Butter und ein paar Tropfen Brühe 1/4 bis 1/2 sehr fein gehackte Zwiebel andünsten. “Butter, quantum sufficit, nicht mehr, darf ich bitten: sie darf nicht schwimmen [...] jedes Korn soll sie fetten, nicht aber ersäufen.” (Carlo Emilio Gadda)
Nun in kleinen Portionen den Reis (zwei oder drei Handvoll pro Person) nach und nach hinzufügen. Der alte Carlo Emilio behauptet ja, die Pfanne müsse in dieser Phase glühen, ich selbst habe aber noch nie eine Kupferpfanne glühen sehen. Jedenfalls sollte sie also ziemlich heiß sein. Von jetzt an hat der Holzkochlöffel keine ruhige Minute mehr. Den Reis unter ständigem Rühren glasig werden lassen, er darf nicht am Topfboden ansetzen, sonst stürzt der Himmel ein. Wenn’s so weit ist, mit Wein ablöschen; je nach Richtung, die man einschlagen will, roter oder weißer. An diesem Punkt die Hitze reduzieren und die Flüssigkeit einkochen lassen. Die auf der Flamme nebenan vor sich hinköchelnde Brühe nach und nach zugießen (die Brühe muss kochen, damit der Garvorgang nicht unterbrochen wird). Immer nur so viel Brühe hinzugeben, dass der Reis gerade bedeckt ist. Dabei bei schwacher bis mittlerer Hitze und unter ständigem Rühren den Reis langsam weich köcheln; dauert je nach Reissorte 17 - 20 Minuten. |
Am besten gelingt ein Risotto mit italienischen Reissorten aus der Poebene, wie Arborio, Carnaroli oder Vialone, die viel Flüssigkeit aufnehmen und sehr langsam gegart werden. Den Reis nicht waschen (!), er würde sonst zuviel Stärke verlieren und genau die sorgt für die besondere, sämige Konsistenz, die ein guter Risotto haben muss. Er muss all’onda sein - fließen, wenn man die Pfanne schräg hält - der Reiskern aber trotzdem al dente bleiben. Ja, das ist ganz großer Zauber.
Auf vorgewärmten Tellern servieren!
Mit herzlichem Dank an Titi Laflora für technischen Rat und sachverständige Anregungen.