Die venezianische Küche


Wesentliche Elemente der venezianischen Küche sind Polenta und Risotto*.

* Der Reis aus Venetien ist berühmt für seine Qualität; unzählige bekannte venezianische Gerichte basieren auf Reis als Grundzutat. Auch die Zubereitung des Risotto all’onda kommt aus Venetien, er muss fließen, wenn man die Pfanne schräg hält, der Reiskern aber trotzdem al dente (bissfest) bleiben.

Berühmte Gerichte der venezianischen Küche:

  • Risotto nero - Schwarzer Reis, der seine Farbe von den Tintenbeuteln des Tintenfischs erhält
  • Risi e figadini - Risotto mit Hühnerleber
  • Risi e bisi - Risotto mit Erbsen
  • Fegato alla veneziana - Kalbsleber auf venezianische Art
  • Zuppa di pasta e fagioli ai frutti di mare - Suppe mit Pasta, Bohnen und Meeresfrüchten
  • Peperonata - Schmorgericht mit Paprika, Tomaten und Zwiebeln

Risotto mit Brennnesseln (Brennesseln) - Risotto alle ortiche

Brennnesselrisotto (Brennesselrisotto) - Risotto alle ortiche

Mein Freund Antonio ist ein ganz Großer in seinem Metier: Toningenieur. Spitzenkräfte der hiesigen Softpop-Industrie wie Ramazzotti und Jovanotti verschieben Welttourneen und täuschen Husten und Schnupfen vor, wenn Antonio nicht abkömmlich ist. Den größten Teil seiner Zeit sitzt er in Airbussen und Pullmans ab und es gibt wohl kaum einen größeren Veranstaltungsort zwischen Melbourne und Vancouver, an dem er nicht für irgendwelche italienischen Heulbojen an den Potentiometern gedreht hat.

Allerdings scheint er langsam die Nase voll davon zu haben und ist immer öfter in dem kleinen Gesindehaus anzutreffen, das er vom Landgrafen von Ostia Antica gemietet hat. Da mit einem Straßenwagen ohne Achsbruch anzukommen ist keine Kleinigkeit, wenn’s zwischenzeitlich regnet kommt man nicht zurück.

Vor ein paar Tagen hat er einen Strauß Brennnesseln vorm Haus gefunden und uns zum Essen eingeladen. Reis, Mehl, Hefe und das dunkelgrüne Olivenöl vom Nachbarn des Schwiegervaters waren auch noch im Haus.

Risootto mit BrennnesselnWar ein richtiger Risottoabend, dessen ersten Teil ich im Schaukelstuhl nebem dem Holzofen verbracht habe, um beim Brot formen, Brühe kochen und Risotto rühren zuzusehen und mich dafür auslachen zu lassen, immer mal wieder kurz aufzustehen und die Töpfe zu knipsen. Er hat, obwohl so weit gereist, wahrscheinlich noch nie einen echten Food-Fotografen im Haus gehabt.

Brennnesselblätter waschen und die großen in Streifen schneiden. Butter in den Topf, Zwiebeln hinterher und nach ein paar Minuten die Brennnesselblätter dazugeben, andünsten und kurz aus dem Topf fischen, um bei etwas höherer Temperatur den Reis anzurösten. Nach ein paar Minuten mit Weißwein ablöschen, die Brennnesselblätter wieder dazugeben und Kelle für Kelle und unter ständigem Rühren (siehe: Risotto. Regeln der Kunst) die eine Stunde vorher angesetzte Gemüsebrühe zugießen. Den Risotto vom Herd nehmen, geriebenen Parmesan unterrühren, pfeffern und sofort essen.

Wie das mit dem Brot geht, habe ich vergessen zu fragen und am nächsten Tag war Antonio schon wieder weg; jedenfalls wohl ziemlich einfach; das Formen haben die Kinder übernommen, eine halbe Stunde im Ofen hat offenbar gereicht, zusammen mit dem Öl vom Nachbarn des Schwiegervaters eine Köstlichkeit. Wir haben die Flasche Grappa Barricata damit begleitet und weder vom einen, noch vom anderen was übrig gelassen…

Alici marinate. Marinierte Sardellen.

Um langsam mal die Kategorie Antipasti einzuführen…


Zutaten für Alici marinate - Marinierte Sardellen:

Frische Sardellen, Weißweinessig, Olivenöl, Knoblauch, Salz, Pfeffer, Oregano, 1 Flasche trockener Weißwein.


alici-marinateHier in meinem verschlafenen kleinen Dorf am Meer kann man beim Fischhändler einen Euro auf einen Teller schmeißen und den gekauften Fisch später ausgenommen abholen; das ist natürlich praktisch und bei einigen Fischviechern sicher das beste, es ist aber gerade bei Sardellen nicht besonders aufwändig, das selbst zu machen: Kopf abdrehen, mit dem Daumen von oben (da wo vorher der Kopf war) die Rückengräte bis zum Schwanz herunterfahren und das ganze Fischlein aufklappen und mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand die Rückengräte oben (da wo vorher der Kopf war) greifen und nach unten samt Schwanzflosse und allem was noch dran hängt abziehen. Fertig. Mit ein bisschen Übung geht das ziemlich schnell. Vielleicht dreh ich noch ein Video.

Natürlich gibt es in den Mittelmeerländern unzählige Versionen, Variationen und Techniken Sardellen zu marinieren. Die einen nehmen Zitronensaft, anstelle des Essigs, andere frittieren sie vor dem Marinieren.

Hier meine oft erprobte Version der Alici marinate:

Die Filets waschen, trockentupfen und in einem ausreichend großen Behälter verteilen. Essig* drüber gießen, so dass alles bedeckt ist. Danach die Flasche Wein aufmachen und probieren.

* Kleiner, überaus effektiver Tipp von meiner Fischfrau: Etwas Salz in den Essig geben; das erhält die Konsistenz der Filets.

Auch hinsichtlich der Zeit, die der Fisch der Säure ausgesetzt sein sollte, variieren die Konzepte. Ich bevorzuge so kurz, wie eben möglich, fange bereits nach 15 Minuten an zu probieren, um den richtigen Moment zu erwischen, in dem der Fisch gerade nicht mehr roh ist. Das Fleisch der Sardelle ist rötlich und wird unter dem Essig von außen nach innen langsam hell. Ich hol sie raus, wenn noch ein dünner rötlicher Streifen in der Mitte zu sehen ist. Mein magischer Moment ist also eher “noch fast roh”, als “gerade nicht mehr roh”. Um ihn festzustellen ein Filet in der Breite durchschneiden und immer wieder eine Scheibe davon abschneiden, probieren und zurück in das Essigbad legen. Eine Minute zuviel kann alles versauen - finde ich.

Die Sardellen aus dem Essig holen und auf einem Küchentuch verteilen. Danach das zweite Glas Wein trinken und sich von der Anspannung des vorherigen Schritts erholen.

Der Rest ist ganz einfach: In einer flachen Schüssel eine erste Schicht der nach unten aufgeklappten Sardellen auslegen - also das Silberne nach oben - und über dieser Schicht den in kleine Stücke geschnittenen Knoblauch, eine sehr vorsichtige Prise Pfeffer und den Oregano (kann ruhig etwas mehr sein) verteilen. Danach diese erste Schicht mit dem besten Olivenöl der Gegend komplett bedecken und das dritte Glas Wein trinken. Zweite, dritte, vierte Schicht, genau wie die erste, auch die letzte muss natürlich vollständig mit dem Olivenöl bedeckt sein. Zwei Gläser Wein sollten jetzt noch in der Flasche sein, weil ziemlich sicher sofort jemand vorbei kommt und probieren will.

Im Sommer in den Kühlschrank damit, im Winter reicht die Außenfensterbank. Kann man drei bis vier Tage von essen. Perfekt mit toskanischem Brot ohne Salz, als Antipasto oder als leichtes Abendessen. Nach einer abgefeierten Nacht spät nach Hause zu kommen und noch Hunger zu haben und dann Alici marinate in der Küche zu finden ist ein echtes Fest. Ich behaupte: Auch ein gute Prophylaxe gegen einen dicken Kopf am nächsten Morgen.

Zackenbarsch (cernia) in Weißwein-Zwiebel-Sauce

Zackenbarsch mit Apfel und Speck in Weißwein-Zwiebel-Sauce

Der Zackenbarsch (die Cernia) ist ein Fisch, dessen intensiven Geschmack man eigentlich respektieren sollte, wie er ist, nur mit ein bisschen Salz und Olivenöl… Die Italiener machen das in der Regel auch so, während Franzosen und Spanier gerne mit Zwiebeln und Weißwein oder Champagner rumhantieren. Fragt mich nicht, wie ich auf meine Version gekommen bin; ich habe wahrscheinlich erst nach den Aperitivi angefangen zu kochen. Den Speck hat der extrem würzige Geschmack des Zackenbarsches, der irgendwie auch ohne Speck leicht nach Speck schmeckt, mir aufgedrängt und zum Apfel ist es dann ja auch nicht mehr so weit, zumindest, wenn man Westfale ist, nicht.
Zackenbarsch in Weißwein-Zwiebel-Sauce

In Italien wird die Cernia fast überall als Filet verkauft (filetti di cernia) - muss man allerdings ein bisschen was für auf den Tisch legen.

Zutaten für 4: Zackenbarsch-Filets (~1 Kg), Kartoffeln, 1 Zwiebel, ½ Apfel, 1 Scheibe (etwa einen halben Finger dick) geräucherte Pancetta (Bauchspeck), sehr trockener Weißwein oder Sekt, Safran, Petersilie.

Die Filets salzen, mit der Papierschere in handliche Stücke (4-5 cm) schneiden und mit etwas Mehl bestäuben. In einer Pfanne die gehackte Zwiebel andünsten und darauf die Filetstücke zusammen mit der abgeschnittenen Schwarte einer Scheibe Bauchspeck auf jeder Seite ein paar Minuten anbraten, mit reichlich Weißwein ablöschen und in dem Weißwein-Zwiebel-Sud ca. 30 Minuten auf ziemlich kleiner Flamme vor sich hinköcheln lassen und zum richtigen Zeitpunkt, kurz vor Ende der Garzeit, den in etwas warmem Wasser gelösten Safran und die nicht zu fein gehackte Petersilie dazugeben.

In einer zweiten Pfanne den Rest des in Würfel geschnittenen Specks auslassen, den in halbe Scheiben geschnittenen Apfel darin anbraten, die vorher in Salzwasser gegarten Kartoffeln dazugeben und auch hier zum Schluss mit etwas Safran und Petersilie anreichern… (Kochen nach Farben).

Die Kartoffeln auf einem Servierteller verteilen, Filets drauf legen, fertig. Die Weißweinsauce filtern, in einer Sauciere dazustellen und nach Belieben über den auf einem angewärmten Teller servierten Fisch geben. Das Ergebnis ist spektakulär im Geschmack - sagen meine italienischen Gäste jedenfalls regelmäßig.

Zackenbarsch mit Bratkartoffeln